
Im Rahmen des fünfjährigen Festivalzyklus unter dem Motto „Erbe der Moderne, 100 Jahre nach dem Großen Krieg“
Überall fanden die Ereignisse der russischen Revolution 1917 und deren Auswirkungen ihren Niederschlag Die Revolution bewirkte zuerst auch einen Aufbruch in der Kunst und inspirierte Künstler und Kulturschaffende in ganz Europa. Gleichzeitig wurde das Wertesystem der etablierten europäischen Gesellschaften vor gänzlich neue Herausforderungen gestellt. Ein Bespiel dafür waren die Künstler der 1918 gegründeten Novembergruppe, zu deren Gründungsmitgliedern Max Pechstein gehörte und in denen sich u.a. auch der Maler der Niddener Künstlerkolonie Oskar Moll und der Architekt Erich Mendelsohn engagierten. Sie, die sich selbst als radikal und revolutionär bezeichneten, wollten Kunst und Volk vereinigen, sowie Einfluss auf öffentlich kulturelle Aufgaben nehmen.
Über die Ereignisse des Jahres 1917 äußerten sich viele Schriftsteller in äußerst bildhafter Sprache. Stefan Zweig formulierte, dass ein Geschoß eingeschlagen sei und ein Reich, eine Welt zertrümmert habe, Gerhart Hauptmann notierte: „Etwas Ungeheures hat sich ereignet. Eine Erneuerung. Eine Umwälzung. Die Massen treiben mehr.“ Und Thomas Mann ließ wenige Jahre später seinen Helden Serenus Zeitblohm bedeutungsvoll sagen: „Die russische Revolution erschütterte mich […].“
In der Rückblende scheint es, dass die Welt von gestern tatsächlich massiv erschüttert wurde. War die Revolution von 1917 etwa die Büchse der Pandora, aus der die fundamentalen Irrtümer des 20. Jahrhunderts kamen? Oder hatten die Aufbrüche in allen Teilen der Gesellschaft, die neuen Formen in Bildung und Kultur, die nationalen und politischen Befreiungsbewegungen einen einmaligen Charakter? Schließlich breitete sich der Kommunismus als Ideologie und Herrschaftsform aus. Heute wird oft mit nostalgischem Blick darauf zurückgeschaut und vergessen, wie viele Spuren die lange kommunistische Diktatur hinterlassen hat, wie viele Brüche in den Lebenswegen stattfanden. In dem reichen musikalischen Programm schwingen als Subtext die Lebenswege der Komponisten mit, die in vielen Fällen in der Folge oder den Spätfolgen der Revolution ihr jeweiliges Heimatland verließen.
Das Festivalprogramm des Sommers 2017 will Zuhörer und Zuschauer einerseits in Kunst und Musik auf Spuren der damaligen Veränderungen locken und andererseits auch fragen, wie Menschen mit derart großen Herausforderungen umgehen und grundlegende Systemwechsel überstehen.
PS.
Das Thema der Büchse der Pandora figuriert in den Lebenserinnerungen der Mannkinder Erika, Klaus und Golo. Von allen wird in verschiedenen Nuancen erzählt, dass sie gerade eine selbstverfasste Theateraufführung im Sommer 1914 im damaligen Sommerhaus der Familie in Bad Tölz geplant hatten, als die Nachricht von der Kriegserklärung eintraf. Die Darstellung wurde abgesetzt und die Kinder erinnerten sich, dass der Vater Thomas Mann gesagt habe, dass nun bald ein blutiges Schwert am Himmel erscheinen werde. Der Historiker Jörn Leonhard hat diese Episode an den Anfang seiner Geschichte des Ersten Weltkrieges gestellt.